2022 Pfaffenhofen – eine Stadt der Nachhaltigkeit Exkursion

Kommunalpolitische Bildungsexkursion nach Pfaffenhofen an der Ilm
Samstag, 17. September 2022. GRIBS Bildungswerk e.V. in Kooperation mit der Petra-Kelly-Stiftung

Diese Tagesfahrt ist ein schönes Beispiel dafür, wie aus Theorie Praxis wird: aus einem kommunalpolitischen Stammtisch von Steffi König im Februar diesen Jahres, in dem es um nachhaltiges Wirtschaften in der Kommune ging, entstand der Wunsch „Lasst uns doch mal eine Exkursion nach Pfaffenhofen machen. Wir wollen mehr darüber wissen!“ Gesagt, getan. Unter der Regie von Peter Gack und Dr. Roland Dörfler, 2. Bürgermeister von Pfaffenhofen, entstand so eine durch und durch gelungene Veranstaltung.

Erst ein bisschen Theorie, dann Praxis!

Der Tag startete im Moosburger Hof mit etwas theoretischer Materie in Form von Vorträgen von Roland Dörfler, Dr. Peter Stapler, Nachhaltigkeitsmanager der Stadt und Sepp Amberger, Leiter der Pfaffenhofener Bodenallianz.

Roland Dörfler startete gleich mit wichtigen Facts und einem aus seiner Sicht entscheidenden Instrument für den Erfolg in Pfaffenhofen: der Bürgerbeteiligung. Dafür wurde eigens ein Online-Portal entwickelt, „PAFundDU“. Er nannte praktische Beispiele, wie die Bürger*innen hier Mitsprache bekommen. Selbst der Mülleimer im Stadtzentrum war schon Grund für eine Bürger*innenbefragung oder auch einfach, wo Sitzbänke aufgestellt werden sollen. Natürlich ging ein Raunen durch die Anwesenden, als Roland erzählte, dass EIN Mülleimer 25.000 Euro gekostet habe. „Waaaas?“ Grund: die Gemeinde entschied sich für einen solarbetriebenen Mülleimer, der den Müll presst und daher wesentlich weniger oft geleert werden muss. Dies gebe personelle Ressourcen frei, die wiederum anderswo genutzt werden könnten, so Dörfler.

Er erklärte auch, dass bei „PAFundDU“ die Politik und Stadtverwaltung lediglich als Moderatoren agierten. Möglich sei solch eine umfangreiche Bürgerbeteiligung auch nur, wenn die Angestellten der Verwaltung mitgenommen werden und die Öffentlichkeitsarbeit massiv ausgebaut werde.

Aber wie kam es überhaupt zu all dem, was war der Anfang der Erfolgsgeschichte? Bevor die Koalition aus SPD, Grünen und Freien Wählern startete, gaben sie sich ein Grundsatzprogramm und unterzeichneten eine Nachhaltigkeitserklärung, das Grundsatzprogramm wird kontinuierlich alle sechs Jahre überarbeitet.

Erfolgreich war die Koalition gegen den anfänglichen Widerstand der CSU mit ihrem Antrag, die Stadtratssitzungen per Livestream zu übertragen, so dass alle Bürger*innnen erfahren, wer welche Positionen im Stadtrat vertrete. Die Kosten für den Livestream aus den Sitzungen betrage jährlich ca. 20.000 Euro.

Einige weitere Punkte, die das Leben der Pfaffenhofener*innen angenehmer machen, sind:

  • Ein kostenloser Stadtbus, die Strecke des Busses wurde ebenfalls auf die Bedürfnisse der Bürger*innen abgestimmt
  • Die Fußgängerzone wurde erweitert, dafür wurde die B13 umgelegt
  • Ein Jugendparlament hilft Senioren bei der Nutzung der Stadt-App
  • Das Jugendparlament hat ein Antragsrecht und ein eigenes Budget
  • 20 Mio. Euro wurden bereits in sozialen Wohnungsbau investiert, 20-30 weitere sind geplant.

Der Gesamthaushalt der Stadt Pfaffenhofen beträgt rund 86 Mio. Euro – die Ortsansässigkeit der Firma Hipp und gute Gewerbesteuereinnahmen ermöglichen dies.
Für die Nachhaltigkeitsstrategie entschied sich die Gemeinde aus den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN sechs auszuwählen:

Ziel 4: Bildung für alle

Ziel 8: Nachhaltiges Wirtschaftswachstum und menschenwürdige Arbeit für alle

Ziel 11: Nachhaltige Städte und Siedlungen 

Ziel 12: Nachhaltige Konsum– und Produktionsweisen 

Ziel 13: Sofortmaßnahmen ergreifen, um den Klimawandel und seine Auswirkungen zu bekämpfen

Ziel 15: Landökosysteme schützen

Dr. Peter Stapler dämpfte den von Roland Dörfler zuvor versprühten Optimismus etwas: es sei noch wahnsinnig viel zu tun. Von 100% seien vielleicht 10-20% geschafft, nach oben sei noch viel Luft. (Vielleicht muss ein guter Nachhaltigkeitsmanager so kritisch an die Sache rangehen? Bekanntermaßen bringt Unzufriedenheit den nötigen Willen zur Veränderung mit sich!) Stapler erörterte, dass er die Bürgerbeteiligung nicht nur positiv sehe, denn es beteiligten sich oft dieselben und wie überall wo es etwas mitzureden gibt, auch nicht immer die mit dem entsprechenden Hintergrundwissen.

Stapler gab auch unumwunden zu, dass die Nachhaltigkeitsstrategie nicht immer ganz überzeugend sei, da sie zwar stark gefördert werde, aber es in Summe ein starrer Prozess sei. Für die Nachhaltigkeit in der Gemeinde würden mittlerweile 4,5 Angestelle beschäftigt mit einem Budget von 400.000 Euro, zukünftig sollten es 800.000 Euro werden.

Seiner Meinung nach sei eine aktive Bürgerschaft im Bereich der Energiewende, die oft auch politisch aktiv sei, ein Schlüssel zum Erfolg. So konnten die Strom- und Gasnetze wieder in Bürgerhand zurückgekauft werden, die Stadt ist bald in der Lage, den benötigten Strom zu 100% selbst zu erzeugen (die Bürgerenergiegenossenschaft hat schon über 800 Mitglieder), eine PV-Pflicht und ein Fernwärme-Anschluss sei bei Neubauten verpflichtend beschlossen werden. Auch für Carsharing und Bikesharing habe die Gemeinde gesorgt und in städtischen Einrichtungen gibt es mittlerweile einen verbindlichen Bio-Anteil, der laut Sepp Amberger von 7% auf 17% gesteigert werden konnte.

Dessen Leidenschaft für Bio-Landwirtschaft und die gegründete Bodenallianz wurde in seinem anschließenden Vortrag sehr deutlich. Sichtlich stolz berichtete Amberger, dass schon 140 Landwirte Teil der Bodenallianz sind, mit der die Gemeinde nachhaltige Landwirtschaft ohne Pestizide fördert.

Vorrangige Ziele der Bodenallianz sind:

  • Lebendige Böden
  • Bunte Artenvielfalt
  • Biologischer Anbau
  • Bioregionale Lebensmittel

Sogar ehemals überzeugte konventionelle Bauern seien mittlerweile begeistert dabei (einen dieser Bauern besuchten wir im Anschluss an den theoretischen Teil). Ziel der Bodenallianz ist unter anderem, Vertriebsstrukturen für die Landwirte vor Ort zu schaffen.
Mittelfristig geplant sind bis 2026 50% Bio-Anteil in städtischen Einrichtungen und 90% bei Veranstaltungen.

All diese Maßnahmen sollen die Gemeinde bis 2035 auf den Pfad der Klimaneutralität bringen.

Nach diesem Wissensinput wurde es praktischer: wir stiegen in den Bus, der uns zunächst durch das neu entstandene Eco-Quartier der Stadt fuhr, hin zu einem von konventionell auf Biolandwirtschaft umstellenden Milchbauern, der früher Hopfen anbaute.

Im Hintergrund kann man noch gut erkennen, dass auf diesem Hof einstmals Hopfen angebaut wurde.

Ende unserer Exkursion war dann das Kloster Scheyern, wo uns Pater Lukas ausführlich über die Bewirtschaftung des Klosterguts informierte. Das Kloster habe vier Wirtschaftsbereiche: Landwirtschaft, Teichwirtschaft, Forstwirtschaft und Energiewirtschaft. Elf bis 12 Brüder bewirtschafteten den Prielhof, ein riesiges unter Denkmalschutz stehendes Anwesen mit großem Landeigentum, darunter auch 400 Hektar Wald.

Nach einer kurzen Zusammenarbeit mit der TU Weihenstephan, wo Unterschiede zwischen konventioneller und biologischer Landwirtschaft und deren Auswirkungen auf die Bodenqualität erforscht werden sollten, kehrte die Klostergemeinschaft 2015/2016 wieder zurück zur rein ökologischen Landwirtschaft.

Pater Lukas beleuchtete die aus seiner Sicht viel zu wenig kritisch gesehene Verdichtungsproblematik der Böden: tonnenschweres Gerät rolle x-mal jährlich über die Äcker, was noch nicht mal auf jeder Straße fahren dürfe – aber auf dem Acker kontrolliere niemand. Deshalb habe man nun mit so stark verdichteten Böden zu kämpfen, die auch nicht mehr die Mengen Wasser aufnehmen könnten wie ursprünglich – ein weiteres Problem bei so trockenen Sommern wie diesem. Es dauere nach Umstellung an die fünf bis sechs Jahre, bis die Böden wieder die Lockerheit aufwiesen wie zuvor.

Pater Lukas wusste noch allerhand teilweise auch Unterhaltsames zu berichten und vor dem, was die Klosterbrüder alles schaffen, kann man nur den Hut ziehen: 400-500 Hühner hält sich die Gemeinschaft plus Pinzgauer Vieh und an die 300 Thüringer Waldziegen, aus deren Milch auch Käse produziert wird, der auf dem Gut zu erwerben ist.

Pater Lukas kritisierte stark, dass die Dokumenationspflicht (bei den Ökoverbänden) in der Landwirtschaft mittlerweile nicht mehr zu stämmende Ausmaße angenommen hat. Für kleinere Betriebe sei das eine Zumutung, er kenne viele, die deswegen aufgegeben haben. Trotz der vielen Hürden und Dinge, die es zu verbessern gilt, sind die Brüder voller Erfüllung, Elan und Freude bei ihrer Arbeit.

Nach soviel Wissensinput kehrten wir zum Schluss in der Klosterschänke zum geselligen Abschluss des Tages ein.

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AnjaOdendahl