2021, im Landkreis Bamberg
Ein kleiner Ort in Bayern setzt auf ein spannendes Verkehrskonzept, von dem er sich eine bessere Luft, weniger Lärm und mehr Sicherheit für die Fußgänger verspricht. Großstädte schaffen mehr Freiraum für Fahrradfahrer – und unsere Autos sollen umweltfreundlicher werden. Deutschland bastelt am Verkehr von heute und plant den Verkehr von morgen. Unsere Beispiele!
Wer zum ersten Mal nach Pettstadt kommt, darf sich wundern: Denn in der fränkischen Kommune bei Bamberg findet der Autofahrer alle Verkehrsregeln auf einem einzigen Schild. Angebracht ist es an den Ortseingängen: Tempo 30-Zone. Darunter der Hinweis: Rechts vor Links im gesamten Ort. Die Vorfahrtsschilder sind alle weg. Nicht einmal mehr Parkverbots- und Halteverbotsschilder gibt es in dem kleinen Ort. "Wir haben 126 nicht mehr benötigte Schilder entsorgt", berichtet Bürgermeister Jochen Hack beim Besuch von KOMMUNAL in Pettstadt. Noch liegen die Schilder-Relikte vor dem Bauhof außerhalb des Ortszentrums, in den nächsten Tagen werden sie verschrottet. Ein bunter Haufen, auch die blauweißen Einbahnstraßen-Schilder sind darunter. Die Gemeinde nutzte die Gelegenheit, um beschädigte Schilder wie "Leinenpflicht für große Hunde und Kampfhunde im gesamten Gemeindegebiet" ebenfalls zu entsorgen.
Warum machte die Gemeinde Tabula Rasa? Warum "holzten" die Mitarbeiter den üblichen "Schilderwald" ab? Hinter der Aktion steckt ein mutiges Verkehrsexperiment. Im gesamten Ort darf nicht schneller als Tempo 30 gefahren werden, es gilt überall Rechts vor Links und die Kommune vertraut auf die Vernunft der Bewohner und Gäste, ihre Autos ordnungsgemäß zu parken. "Wir wollen erreichen, dass sich nicht nur die Verkehrssicherheit erhöht, sondern auch die Aufenthalts- und Wohnqualität steigt", erläutert der Bürgermeister. "Und appellieren deshalb an alle Verkehrsteilnehmer, sich an die einheitliche Geschwindigkeitsbeschränkung zu halten und die Rechts-vor LinksRegelung zu beachten." Nicht allen fiel das leicht in den ersten Tagen. Enikö Linz, die im Ortszentrum wohnt, sagte: "Da muss man richtig gut aufpassen." Sie findet die neuen Regeln dennoch gut: "Ich bringe jeden Tag meine Tochter Sophie in die Kita und freue mich, wenn alle langsamer unterwegs sind."